Sterbeverfügung
Das Sterbeverfügungsgesetz schafft seit 2022 einen rechtlichen Rahmen für den assistierten Suizid in Österreich. Es legt fest, unter welchen Voraussetzungen Betroffene diesen Weg selbstbestimmt wählen können.
Allgemeines
von OÄ Dr.in med. univ. Daniela Jahn-Kuch
Mit dem Inkrafttreten des Sterbeverfügungsgesetzes (StVfG) am 01.01.2022 kommt der Gesetzgeber dem Grundrecht auf Selbstbestimmung nach.
Es ermöglicht erkrankten, aber entscheidungsfähigen Personen unter bestimmten Voraussetzungen, Suizidassistenz in Anspruch zu nehmen.
Das Gesetz regelt, unter welchen Umständen Sterbewillige in Österreich straffrei Sterbehilfe in Anspruch nehmen dürfen.
Voraussetzungen
Eine Sterbeverfügung ist eine Willenserklärung, mit der eine sterbewillige Person ihren dauerhaften, freien und selbstbestimmten Entschluss festhält, ihr Leben selbst zu beenden.
Die Errichtung ist nur höchstpersönlich möglich, also ausschließlich durch die sterbewillige Person selbst.
Der Entschluss muss frei und selbstbestimmt erfolgen – frei von Irrtum, Täuschung, Zwang oder Beeinflussung durch Dritte.
Eine Sterbeverfügung kann nur errichtet werden, wenn die Person:
an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit leidet oder
an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen, deren Folgen die gesamte Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen
In beiden Fällen muss die Erkrankung einen nicht anders abwendbaren Leidenszustand mit sich bringen.
Weitere Voraussetzungen:
gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich oder österreichische Staatsangehörigkeit
Volljährigkeit
Entscheidungsfähigkeit
Ärztliche Aufklärung und Überprüfung
Vor Errichtung einer Sterbeverfügung ist eine Aufklärung durch zwei Ärzt:innen erforderlich, von denen mindestens eine Person über eine palliativmedizinische Qualifikation verfügt.
Beide Ärzt:innen müssen unabhängig bestätigen, dass:
die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist,
der Entschluss frei und selbstbestimmt gefasst wurde,
keine psychische Beeinträchtigung den Entschluss beeinflusst.
Inhalte der Aufklärung
mögliche Behandlungs- oder Handlungsalternativen
(Hospizversorgung, palliativmedizinische Maßnahmen, Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Vorsorgedialog)Hinweise auf psychotherapeutische Gespräche und suizidpräventive Beratung
weitere zielführende Beratungsangebote (z. B. pflegerische Unterstützung, Schuldnerberatung, Sozialarbeit, psychologische Behandlung)
Verordnung des letalen Präparats und der notwendigen Begleitmedikation
Aufklärung über Einnahme, Wirkungen und mögliche Komplikationen
Das Präparat Natriumpentobarbital ist erhältlich als:
Trinklösung
Applikation über PEG-Sonde
intravenöse Infusion
Errichtung der Sterbeverfügung
frühestens zwölf Wochen nach der ersten ärztlichen Aufklärung möglich
bei Erkrankungen in der terminalen Phase bereits nach zwei Wochen
Errichtung durch eine/n Notar:in oder eine/n rechtskundigen Mitarbeiter:in der Patientenvertretungen
Abgabe und Einsatz des Präparats
Die Abgabe des Präparats und der Begleitmedikation erfolgt durch eine öffentliche Apotheke – nur nach Vorlage der Sterbeverfügung.
Dies kann durch die sterbewillige Person selbst oder eine in der Verfügung namentlich genannte Hilfsperson geschehen.
Die Durchführung des assistierten Suizids soll laut Gesetzgeber im privaten Rahmen erfolgen.
Hilfeleistung zur Selbsttötung
Jede volljährige und entscheidungsfähige Person kann auf eigenen freien Willen hin Hilfe zur Selbsttötung leisten.
Darunter fällt jede Handlung, die für den Erfolg der Selbsttötung kausal ist oder den Vorgang ermöglicht bzw. erleichtert.
Wichtig:
Die lebensbeendende Maßnahme muss stets die sterbewillige Person selbst durchführen.
Die Tatherrschaft bleibt also bei der sterbewilligen Person.
Freiwilligkeit der Mitwirkung
Kein/e Ärzt:in, Notar:in oder Apotheker:in ist verpflichtet,
bei der Aufklärung mitzuwirken,
eine Sterbeverfügung zu errichten oder
das Präparat abzugeben.
Quellen:
Bundesgesetz über die Errichtung von Sterbeverfügungen (Sterbeverfügungsgesetz – StVfG)
StF: BGBl. I Nr. 242/2021 (NR: GP XXVII RV 1177 AB 1255 S. 137. BR: 10806 AB 10837 S. 936.)
Sterbeverfügung: Leitfaden für die Praxis (Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz)