Schmerztherapie in der Palliative Care

Schmerztherapie ist ein zentraler Bestandteil der Palliativmedizin. Ziel ist es, Schmerzen zu lindern und so Lebensqualität bis zuletzt zu erhalten.

Allgemeines

von Dr.in med. univ. Elisabeth Sciri

Es gibt verschiedene Arten von Schmerzen, die bei palliativmedizinischen Patienten auftreten können.

Häufigste Ursache sind Tumorschmerzen. Diese entstehen durch lokale zerstörende oder verdrängende Prozesse und führen zu sogenannten Nozizeptorschmerzen.
Nozizeptoren sind spezialisierte Nervenenden, die bei drohender oder tatsächlicher Schädigung ein Alarmsignal senden. Betroffene beschreiben die Schmerzen meist als dumpf/druckend, kolikartig oder stechend/einschießend.

Durch Druck auf Nerven – etwa bei Metastasen im Bereich der Wirbelsäule oder bei Hirnmetastasen, aber auch als Nebenwirkung von Chemotherapeutika – kann es zu neuropathischen Schmerzen kommen. Diese haben eine elektrisierende Komponente, können ausstrahlen (ähnlich Ischiasschmerzen) oder mit Ameisenlaufen und Taubheitsgefühlen einhergehen.

In der Palliativmedizin gibt es zudem den Begriff „Total pain“, geprägt von Cicely Saunders. Dieser umfasst neben körperlichem Schmerz auch psychische, soziale und spirituelle Aspekte. Ziel ist, den Schmerz in seiner gesamten Interrelationalität wahrzunehmen und nicht nur körperlich zu behandeln.

Im Folgenden werden die medikamentösen und symptomatischen Therapieoptionen dargestellt.

Mäßige bis mittlere Schmerzen treten bei 70–80 % der Patient:innen mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen auf. Diese können nach aktuellem Wissensstand fast immer gelindert werden. Dennoch zeigen Studien, dass viele Patient:innen keine angemessene Therapie erhalten.

Wichtig:

Grundlage ist das ausführliche Gespräch mit Erfassung der Schmerzqualität und -intensität.

  • Bei orientierten Patient:innen: NRS-Skala (0–10)

  • Bei nicht mehr äußerungsfähigen Patient:innen (z. B. in der Sterbephase, bei Desorientierung): VAS-Skala anhand von Gesichtsausdruck – auch in der Pädiatrie gebräuchlich.

Abb. 1 https://flexikon.doccheck.com/de/Visuelle_Analogskala (09.09.2025)

WHO-Stufenschema

Stufe 1

Nicht-Opiat-Analgetika / NSAR

  • Metamizol (Novalgin, Metagelan)

  • Paracetamol (Mexalen)

  • Ibuprofen (Seractil)

  • Diclofenac (Voltaren)

Diese Medikamente bilden die Basistherapie. Besonders Metamizol und Paracetamol werden als Dauertherapie eingesetzt, da sie ein günstigeres Nebenwirkungsprofil haben.

Wenn die Schmerzen mit Stufe 1 nicht ausreichend kontrolliert werden, sollte die Therapie erweitert werden.

Stufe 2

Niedrigpotente Opiate

  • Tramadol

  • Tilidin (oft in Kombination mit Naloxon)

  • Dihydrocodein

Diese Medikamente können bei mäßigen Tumorschmerzen eingesetzt werden. Alternativ kann direkt mit einem niedrig dosierten Stufe 3-Opiat begonnen werden.

Stufe 3

Stark wirksame Opiate bei mittleren bis starken Tumorschmerzen:

  • Morphin

  • Hydromorphon

  • Oxycodon (oral)

  • Fentanyl und Buprenorphin (transdermal, z. B. Schmerzpflaster)

  • Fentanyl auch als Schmerztablette (Indikation situationsabhängig prüfen)

Hinweise:

  • Langsame Dosisanpassung über längeren Zeitraum

  • Kombination aus langwirksamen (retardierten) und kurzwirksamen Opiaten sinnvoll

  • Levomethadon kann eingesetzt werden, sollte jedoch nur von erfahrenen Ärzt:innen angewandt werden (kompliziertes Wirkprofil, unvorhersagbare Halbwertszeit) → im Alltag untergeordnete Rolle

Besondere Situationen:

  • Bei Schluckstörungen: transdermale, subkutane oder intravenöse Gabe

  • Morphin und Hydromorphon: auch über Schmerzpumpen subkutan oder intravenös

    • nach stationärer Einstellung auch im häuslichen Setting möglich

    • Patient:innen können zusätzlich zur Basisrate selbst kontrollierte Bolusgaben durchführen

Opiatwechsel:
Wenn ein Präparat nicht vertragen wird oder ein Wechsel der Applikationsform (z. B. oral → Pflaster) nötig ist, kann ein Wechsel innerhalb der Opiatgruppe erfolgen.
Dies erfordert eine Dosisanpassung und Reduktion und sollte ausschließlich durch erfahrene Ärzt:innen erfolgen.

Therapie von neuropathischen Schmerzen

Allgemeines

Bei dieser Art von Schmerzen handelt es sich um Beschwerden, die durch direkte Fehlfunktionen oder Verletzungen von Nervengewebe entstehen.
Anders als beim nozizeptiven Schmerz ist hier der Nerv selbst das betroffene Organ, das Schmerzreize aussendet.

Der Schmerz wird oft beschrieben als:

  • elektrisierend

  • einschießend

  • brennend

  • stechend

  • kribbelnd

Ursachen

Neuropathische Schmerzen können entstehen durch:

  • chemische Schädigungen der Nerven (z. B. Nebenwirkung von Chemotherapien)

  • Polyneuropathien bei Diabetes mellitus (Kribbelschmerzen, Gefühlsstörungen in Händen und Füßen)

  • Druck auf Nervenwurzeln durch Metastasen im Wirbelsäulenbereich (vergleichbar mit Ischiasschmerzen, Ausstrahlung entlang der Nervenwurzel)

  • Phantomschmerzen nach Amputationen

Therapieprinzip

Die Behandlung neuropathischer Schmerzen erfordert andere Konzepte als die von nozizeptiven Schmerzen.

Medikamentöse Therapie

Die klassische Schmerztherapie wird ergänzt durch:

  • Antidepressiva (z. B. Amitryptilin)

  • Antiepileptika (z. B. Pregabalin, Gabapentin)

Hinweise:

  • langsame Dosissteigerung notwendig

  • Wirkeintritt nach einigen Tagen

  • regelmäßige Einnahme, möglichst zur gleichen Uhrzeit

  • besondere Vorsicht in Kombination mit Opiaten → Nebenwirkungen möglich → langsame Dosisanpassung sehr wichtig

Ergänzende Maßnahmen

  • Ergotherapie

  • Physiotherapie

  • Hilfsmittel, z. B. 3-Punkt-Mieder bei Knochenmetastasen im Wirbelsäulenbereich

Hinweis

Die hier bereitgestellten Informationen dienen ausschließlich der allgemeinen Aufklärung. Sie ersetzen keine ärztliche Untersuchung, Diagnose oder Therapie. Medikamente dürfen nur nach ärztlicher Verordnung und niemals in Eigenregie eingenommen oder angepasst werden. Bitte besprechen Sie individuelle Beschwerden und Therapieentscheidungen immer mit den behandelnden Ärzt:innen.

Quellen:

Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, & AWMF). (2021, Februar). Erweiterte S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung (Kurzversion 2.3). AWMF-Registernummer 128/001OL. Abgerufen am 15. September 2025, von https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Palliativmedizin/Version_2/LL_Palliativmedizin_Kurzversion_2.3.pdf leitlinienprogramm-onkologie.de+1